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Im Vordergrund das Gebäude, welches
speziell für die LSD-Therapie im Powick Hospital in England von dem
LSD-Therapeuten Ronald Sandison gebaut wurde.

Eine Patientin kommt zur stationären LSD-Behandlung bei Dr. Sandison
(ca. 1960).

Die Patientin bei der Einnahme des LSD.

Dr. Sandison im Gespräch mit der Patientin während der LSD-Wirkung.

Am Ende des Behandlungstages verleihen die Patienten dem Erlebten Ausdruck.
Nachbesprechung des LSD-Behandlungstages von 4-5 Patienten im therapeutischen
Team.
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Der folgende Text soll einführen in die als
"psycholytische" bzw. "psychedelische" Therapie bezeichneten
psychotherapeutischen Behandlungsverfahren und ihre Grundlagen. Es handelt
sich dabei um Verfahren, welche die psychisch aktivierenden Eigenschaften
bestimmter Substanzen zur Unterstützung psychotherapeutischer Behandlungen
nutzen. Dafür geeignete psychoaktive Substanzen sind Lysergsäurediäthylamid
(LSD), Psilocybin, Meskalin oder auch Methylendioxyamphetamin (MDMA),
um nur die bekanntesten zu nennen. Diese werden aufgrund ihrer Eigenschaften
psychisches Erleben in spezifischer Weise umzustrukturieren und zu intensivieren
auch als "psycholytische" ("seelenlösende") oder
"psychedelische" ("den Geist offenbarende") Stoffe
bezeichnet. Im medizinischen Bereich hat sich allerdings die nicht unproblematische
Bezeichnung "Halluzinogene" durchgesetzt.
Es kann an dieser Stelle keine vollständige Geschichte
der Verfahren und ihrer Standards geliefert werden. Doch erscheint es
angebracht, ihre Ursprünge aufzuzeigen und die drei wissenschaftlich
fundierten Therapieverfahren zu charakterisieren. Überdies soll auf
aktuelle Forschungen und Bestrebungen in diesem Bereich hingewiesen werden.
Mehr als 700 wissenschaftliche Arbeiten machen deutlich,
wie intensiv sich Mediziner und Psychologen in den 50er und 60er Jahren
mit dem therapeutischen Potential dieser Stoffe beschäftigten. Durch
den zunehmenden Laiengebrauch während der 60er Jahre kam es dann
jedoch zum strafrechtlichen Verbot der Substanzen, auf dessen Wirkungen
noch einzugehen ist. Seitdem ist ihre weitere Erforschung und Nutzung
drastischen Einschränkungen unterworfen worden. Auch die Publikationstätigkeit
ging drastisch zurück (vgl. Graphik 1). Seit Mitte der achtziger
Jahre zeichnen sich jedoch Veränderungen ab, die eine erneute Verwendung
solcher Stoffe in der Psychotherapie wahrscheinlich machen (Grob et al.
1995). Deshalb ist die Zugänglichmachung des bisher generierten wissenschaftlichen
Materials eine Notwendigkeit für die weitere Forschung.
Erste Versuche pharmakologische Beeinflussungen der Bewusstseinslage psychotherapeutisch
zu nutzen, gehen bis vor die Jahrhundertwende zurück, als man Äther,
Chloroform und Haschisch zur Induktion und Vertiefung hypnotischer Zustände
verwendete (Schrenck-Notzing 1891). In den 20er und 30er Jahren versuchten
Ärzte, die durch Hypnose und Psychoanalyse geschaffenen Möglichkeiten
psychotherapeutischer Behandlung durch den Einsatz subnarkotischer Barbituratdosen
zu intensivieren. Diese Versuche schlossen an die Beobachtung an, dass
viele Patienten in der Aufwachphase einer Barbituratnarkose einen ungehemmten
Redefluss zeigten und intime Dinge ausplauderten. Ein als "Narkoanalyse"
bekanntgewordenes Verfahren nutzt diesen barbituratinduzierte Erregungszustände,
um vergessene und verdrängte Erlebnisse und Konflikte erinnerlich
zu machen. Es erlangte vor allem bei der Behandlung traumatischer Kriegsneurosen
Bedeutung (vgl. Horsley 1943).
Obwohl Wirkungen und heilerischer Gebrauch halluzinogener Wirkstoffe schon
seit Jahrtausenden bekannt sind (vgl. Schultes / Hofmann 198), begann
ihre wissenschaftliche Erforschung erst im 20. Jahrhundert. Seit den 20er
Jahren wurden vielgestaltige Humanversuche mit Halluzinogenen, insbesondere
dem Meskalin (vgl. Passie 1993/94), durchgeführt. Obgleich man eine
genaue Phänomenologie und Klinik des Meskalinrausches erarbeiten
konnte (Beringer 1927), waren fast alle Forscher der Ansicht, dass die
Erlebnisse in keiner Weise die Psychodynamik der Probanden widerspiegeln
würden. Als erster benutzte 1931 der italienische Psychoanalytiker
Baroni ein Gemisch aus Meskalin und Datura Stramonium-Samen als Hilfsmittel
bei Psychoanalysen. Doch erst klinische Experimente mit dem 1943 entdeckten
hochwirksamen Halluzinogen Lysergsäurediäthylamid (LSD) machten
die psychodynamischen Anteile der Erlebnisveränderungen offenbar
(Stoll 1947). Stolls Arbeit erregte auch bei Psychotherapeuten Aufsehen
und führte zu ersten therapeutischen Ansätzen (Frederking 1949;
1954/55; Busch et al. 1950). In deren Fortgang konnte der Nachweis einer
psychodynamischen Relevanz und Authentizität der Erlebnisinhalte
geführt werden (Leuner 1962; Masters/Houston 1966). Neben dem Vorläufer
Narkoanalyse hat die "psycholytischen Methode" (Psycholyse)
noch zwei andere Ursprünge:
1. Sandison et al. (1954, 1955) fanden nach einmaliger LSD-Applikation
eine signifikante Zustandsbesserung bei neurotischen Patienten.
2. Zu Beginn der 50er entwickelte Leuner eine Tagtraumtechnik in der Psychotherapie
("Katathymes Bilderleben")(Leuner 19??). Er stellte fest, dass
sich mittels geringer Halluzinogendosen therapeutisch wertvolle Imaginationen
intensivieren lassen. Ausserdem würden regressive Erlebnisweisen
und Abreaktionen begünstigt.
Aus diesen beiden Ansätzen entwickelte sich unter der Ägide
psychoanalytisch orientierter Therapeuten (Sandison, Leuner, Chandler/Hartmann),
jenes 1960 auf dem "Ersten europäischen Symposium für Psychotherapie
unter LSD-25" einvernehmlich als "Psycholyse" (Sandison)
bezeichnete Verfahren. Dieses stützt sich auf die weithin anerkannten
Konzepte der klassischen Psychoanalyse und unterstützt mittels geringer
Halluzinogendosen eine Aktivierung unbewusster Erinnerungen, Gefühlsregungen
und Konflikte. Diese können im traumartig veränderten, aber
weitgehend klaren, Bewusstsein bei guter Erinnerbarkeit erlebt und therapeutischer
Durcharbeitung zugänglich gemacht werden. Während der Substanzwirkung
liegt der Patient im abgedunkelten Raum auf einer Liege und wird von einem
Beisitzer betreut. Die Dosierungen werden individuell so gewählt,
dass der Patient orientiert und in Kommunikation mit dem Beisitzer sowie
stets den therapeutischen Charakter der Situation realisiert. Er wird
aufgefordert, sich den auftauchenden Eindrücken, Gefühlen und
Visionen unbefangen hinzugeben. Gelegentliche Äusserungen des Patienten
werden per Tonband bzw. schriftlich aufgezeichnet und ihm zur retrospektiven
Protokollerstellung überlassen. Über ein unmittelbar an die
Sitzung anschliessendes Gespräch hinaus werden die evozierten Erlebnisse
in Zwischensitzungen ohne Substanzeinnahme nach Prinzipien der tiefenpsychologischen
Therapie interpretiert und durchgearbeitet. Hierbei wirken also die drogeninduzierten
Erlebnisse unterstützend bei einer weitgehend konventionellen analytischen
Behandlung. In der Regel erstreckt sich diese über Monate bis Jahre
und es werden zwischen 15 und 50 psycholytische Sitzungen durchgeführt.
Besondere Möglichkeiten der Psycholyse sah man in der Überwindung
von starken und verfestigten Abwehrstrukturen bei vordem als therapieresistent
angesehenen Patienten (Arendsen Hein 1967; Leuner 1981). Viele der damals
mit dem Verfahren arbeitenden Therapeuten nahmen sich dieser schwierigen
Patientengruppen an und konnten von guten Erfolgen berichten. Deshalb
erschien es durchaus plausibel, mit der Psycholyse eine Erweiterung des
psychotherapeutischen Indikationsspektrums zu erreichen (Mascher 1967).
Anfangs hatte man in einigen Fällen noch mit Komplikationen im Sinne
depressiver Nachschwankungen zu tun. Diese konnten jedoch durch Optimierung
des Verfahrens und Spezifizierung des Indikationsspektrums fast gänzlich
vermieden werden (Cohen 1960; Denson 1969; Malleson 1971).
Während der 60er Jahre wurde die Psycholyse an 18 europäischen
Behandlungszentren regelmässig praktiziert. Durch stete Weiterentwicklung
und Optimierung kann heute von einem ausgereiften, therapeutisch valenten
und sicheren Verfahren gesprochen werden (Grof 1979; Leuner 1981). Zwischen
1953 und 1968 wurden damit mehr als 6000 Patienten behandelt (Cohen 1960;
Malleson 1971; Passie 1995).
Ein von der psycholytischen Methode streng zu unterscheidender Ansatz
zur therapeutischen Verwendung von Halluzinogenen wurde als "psychedelische
Methode" in den USA entwickelt. Zur Entwicklung dieses Verfahrens
führten wiederum verschiedene Wege:
1. Ausgehend von der Beobachtung, dass viele Alkoholiker nach dem traumatischen
Erlebnis eines Delirium tremens abstinent bleiben, wollten Osmond und
Hoffer um 1950 durch LSD ein Delirium tremens erzeugen, um so eine Abstinenz
zu bewirken. Sie stellten jedoch fest, dass - im Gegensatz zu ihrer Hypothese
- vielmehr positiv empfundene Erlebnisse i.S. vertiefter Selbstwahrnehmung
und religiöser Erfahrungen eine bleibende therapeutische Wirkung
hinterliessen (Hoffer/Osmond 1967).
2. In ethnographischen Publikationen wurde über die rituelle Einnahme
bestimmter halluzinogener Pflanzen berichtet (Peyote-Kult, brasilianische
Ayahuasca-Religion), die zu dramatischen positiven Persönlichkeitswandlungen
bei soziopathischen und alkoholabhängigen Individuen führten
(LaBarre 1938, Perez de Barradas 1950).
3. Kast (1963) stellte eine vergleichende Studie zur analgetischen Wirkung
verschiedener Substanzen bei terminal Krebskranken an, in die auch LSD
einbezogen wurde. Überraschend konnte er bei den LSD-Probanden ein
Nachlassen von Schmerzzuständen sowie eine entspanntere Gesamthaltung
feststellen. Auf Nachfrage berichteten diese Personen von Erlebnissen
vertiefter Selbst- und Situationseinsicht sowie religiösen Empfindungen
und einem von daher veränderten Verhältnis zum körperlichen
Tod.
Im Anschluss an ihre ersten Versuche entwickelten Osmond und Hoffer die
psychedelische Behandlungstechnik, welche die gezielte Hervorrufung mystisch-religiösen
Erlebens zur Grundlage therapeutischen Wirkens machte. Besondere betont
wurde die Wandlungsmacht bestimmter mystischer Erlebnisweisen wie die
sog. "Unio mystica". Das religiöse Erlebnisformen - bei
geeigneter Vorbereitung und Umgebung - typischer Bestandteil des Erlebens
unter grösseren Dosierungen von Halluzinogenen sind, wurde zu Beginn
der 60er Jahre von Pahnke (1962) im Doppelblind-Versuch und von Leary
et al. (1963) wissenschaftlich belegt.
Die psychedelische Behandlung wurde während der 60er Jahre weiter
perfektioniert und mndete in die methodisch sorgfältigen Studien
am National Institute of Mental Health (NIMH) im Spring Grove Hospital
bzw. dem Maryland Psychiatric Research Center (Pahnke et al. 1970; Grof
1975). Mit diesem Verfahren wurden zwischen 1960 und 1973 über 2500
Alkoholkranke, Narkotikasüchtige und neurotische Patienten behandelt
(vgl. Yensen/Dryer 1993).
Der dritte von Kast (1963; 1966) eher zufällig entdeckte Anwendungsbereich
halluzinogener Substanzen liegt in der Wandlung der Einstellung zum Tod
bei terminal Krebskranken. Auch bei dieser Behandlung steht das mit entsprechender
Vorbereitung zu erzielende Gipfelerlebnis im Mittelpunkt. Eine mit diesem
Erleben verbundene Ich-Auflösung wird von den Betroffenen als ein
transzendieren individuell-körperlicher Begrenztheit erfahren und
vermittelt ein Gefühl der Geborgenheit, welches über die Vergänglichkeit
des Körpers hinausweist. Aufgrunddessen können sich die Patienten
wesentlich angstfreier und entspannter mit der Perspektive des nahenden
Todes auseinandersetzen. Diese Behandlung wurde an einigen Hundert Patienten
angewandt und von der NIMH-Gruppe mittels methodisch guter Studien auch
in ihrer Wirksamkeit belegt (vgl. Grof / Halifax 1978).
Psycholytische Therapie |
Psychedelische Therapie |
A. Kleine Dosen von LSD (30-200 mcg), Psilocybin (3-15
mg), Ketamine, MDMA etc. produzieren tagtraumartige Imaginationen,
Regressionen und Übertragungsphänomene. |
A. Hohe Dosen LSD (400-1500
mcg) führen zu sog. kosmisch-mystischen Erfahrungen. Einheitsgefühle
und ekstatische Zustände werden erreicht. |
B. Aktivierung und Vertiefung des psychoanalytischen
Prozesses. |
B. Ohne Fundierungen in den klassischen psycholgischen
Theorien. Moderne transpersonale Ansätze zum Verständnis
des Charakters der Erfahrungen. |
C. Vielzahl von Sitzungen erforderlich (5-50).
|
C. Eine bis drei "überwältigende"
Erfahrungen werden angestrebt. |
D. Analytische Diskussion des Erfahrenen in Einzel-
und Gruppensitzungen (mit Schwerpunkten auf Ich-Psychologie, Übertragung
und Abwehrmechanismen). |
D. Sehr suggestive quasi-religiöse Vorbereitung
und Gebrauch spezieller Räumlichkeiten und Musik. Keine detaillierte
Erörterung der Erfahrungen. |
E.Realitätsabgleich und Versuch der Integration
der Erfahrungen bzw. ihrer Konsequenzen in das Alltagsleben. |
E.Anpassung an die Realität ist
nicht der Hauptzweck. Förderung des Wandlungswertes der psychedelischen
Erfahrung. |
F. Ziel: Heilung durch Umstrukturierung der Persönlichkeit
i. S. eines Reifungsprozesses und Lösung infantiler Bindungen;
erforderung längere Zeiträume. |
F. Ziel: Symptomatische Heilung mit nicht klar definierter
Verhaltensänderungcure. |
G. Klassische Psychotherapieindikationen: Neurosen,
psychosomatische Störungen, psychopathien, Sexualneurosen,
Borderline Störungen.. Weder Alkoholismus noch Psychosen. |
G. Alkoholismus, Neurosen (?),
terminale Krebspatienten. |
Table 1: Die beiden Hauptverfahren für den psychotherapeutischen
Gebrauch der Hallucinogene (angelehnt an Leuner 1967).
Eine Kombination der oben skizzierten Verfahren wurde
erstmals von Grof (1967) vorgeschlagen. Dieser "psychedelytische"
Ansatz integriert sowohl die tiefreichenden Wandlungserlebnisse einzelner
psychedelischer Therapiesitzungen, als auch die Durcharbeitung psychodynamischen
Materials in psycholytischen Seriensitzungen (Yensen 1985). Er gilt als
modernster Ansatz und fand schon in einigen Pilotstudien Anwendung (vgl.
Yensen 1975; Gassser 1995).
Bezüglich der Behandlungserfolge wurden von den meisten psycholytischen
Therapeuten langfristige Besserungen bei ca. 66% der meist schwer und
chronisch neurotischen Patienten berichtet (vgl. Mascher 1967). Die damaligen
Studien genügen allerdings nur dem damaligen Stand der Psychotherapie-Evaluation
und sind aus heutiger Perspektive mit z.T. gravierenden Mängeln behaftet
(vgl. Pletscher et al. 1994). Die psychedelischen Therapeuten konnten
ihre Ergebnisse z.T. methodisch besser sichern. Sie mussten aber bei Follow-ups
erkennen, dass es sich nur um kurzzeitige Besserungen handelte.
Ein anderer Aspekt wichtiger Aspekt psychotherapeutischer Forschung mit
Halluzinogen ist deren heuristischer Wert. So gingen aus dieser Forschung
bedeutende Modelle zum Verständnis psychischer Tiefendimensionen
hervor (vgl. Leuner 1962; Grof 1975; Grof/Halifax 1978).
Aufgrund der oben geschilderten Verwendungsmöglichkeiten halluzinogener
Substanzen wurde von vielen Autoren eine vielversprechende Zukunft der
Psychotherapie mit Halluzinogenen vorausgesehen. Die sukzessive Ausdehnung
der Forschung auf diesem Gebiet verdeutlicht auch die Statistik der Publikationen
deutlich (vgl. Graphik 1).
Doch die weitere Entwicklung wurde zunehmend von den sozialen Unruhen
Ende der 60er Jahre überschattet. Zunächst hatte sich die Gruppe
um die Harvard-Psychologen Timothy Leary, Ralph Metzner und Richard Alpert
in wissenschaftlichem Stil mit der Evokation und den Implikationen psychedelischer
Erlebnisweisen auseinandergesetzt. Seit 1964 gingen sie jedoch dazu über,
die Substanzen als Instrumente zur "Erleuchtung des menschlichen
Geistes" und eines Freiwerdens vom materialistischen westlichen Selbst-
und Weltverständnis zu propagieren (vgl. Stevens 1987). Ihr Propagieren
von Halluzinogenen zur "Bewusstseinserweiterung" koinzidierte
mit dem massenhaften Aufbegehren jugendlicher Menschen in westlichen Industrieländern
gegen eine ihrer Ansicht nach überholte Normen- und Wertewelt wie
auch gesellschaftliche Missstände. Im Rahmen dieser internationalen
Bewegung wurde die Verwendung halluzinogener Substanzen durch Laien ein
Massenphänomen (vgl. Young 1966; Yablonski 1973). Dadurch wurde nicht
nur die Intensität der Revolte - besonders in den USA - potenziert,
sondern es zeigten sich auch Komplikationen, die aus der Einnahme von
Halluzinogenen unter unkontrollierten Bedingungen entstehen können:
unrealistisches Verhalten, traumatisches inneres Erleben i.S. von "Angst-"
und "Horrortrips", sog. "Flashbacks", Auslösung
latenter Psychosen, Suizidversuche und anderes. Ausserdem wurden 1968
Berichte über Chromosomenschädigungen durch Halluzinogene veröffentlicht.
Diese hielten zwar einer sorgfältigen wissenschaftlichen Prüfung
nicht stand (vgl. Dihotsky 197?; Grof 1979 Appendix 1), aber die von ihnen
mitverursachte schlechte Publicitiy führte zu einem schlagartigen
Rückzug der auf diesem Gebiet tätigen Wissenschaftler, die fürchteten,
in den Sog dieser Negativ-Schlagzeilen zu geraten. "The whole goddamn
climate changed. Suddenly you were conspirators out to destroy people"
(Stevens 1987: 171); so beschrieb es der psycholytische Therapeut Janiger
aus Los Angeles.
1966 wurde dann zuerst in Amerika ein gesetzliches Verbot der halluzinogener
Substanzen erlassen; kurze Zeit darauf folgten die europäischen Länder
(1967-68); obgleich der Laiengebrauch dort niemals ein vergleichbares
Ausmass angenommen hatte. Gegen Ende der 60er Jahre initiierte dann die
World Health Organization (WHO) eine Gesetzesvorlage zum weltweiten Verbot.
Bedauerlicherweise waren unter den Mitgliedern der WHO-Kommission keinerlei
Sachverständige bezüglich der therapeutischen Anwendung dieser
Stoffe, so dass deren therapeutischen Potentiale keine adäquate Berücksichtigung
fanden. Seitens der WHO wurden die Halluzinogene deshalb einfach den Opiaten
gleichgestellt, obwohl ihre sachgemässe Einordnung die Einrichtung
einer selbständigen Kategorie erfordert hätte. Durch diesen
folgenschweren Irrtum wurde die therapeutische Verwendung dieser Stoffe
durch ausgebildete Ärzte, obwohl daraus keinerlei Gefährdungen
resultiert waren, praktisch vollständig untersagt. In den USA und
Europa wurden dadurch Therapieabbrüche bei hunderten von Patienten
erzwungen. Obwohl die Gesetzestexte Ausnahmeregelungen grundsätzlich
zulassen, kam es de facto zu einer nahezu vollständigen Einstellung
der vordem vielfältigen Forschungsbemühungen (vgl. Abramson
1967; Leuner 1981; Grof 1979; Federal Drug Administration 1975). Somit
wurde hier ein - bei sachgemässer Anwendung - praktisch ungefährliches
medizinisches Heilverfahren (vgl. Cohen 1960; Malleson 1971) mit guter
therapeutischer Valenz strafrechtlich untersagt. Es handelt sich dabei
um einen in der Medizingeschichte praktisch einmaligen Vorgang.
Neue Aussichten auf eine adäquatere Sicht des therapeutischen Potentials
dieser Substanzen eröffneten sich erst Mitte der 80er Jahre. Die
Federal Drug Administration (FDA) und entsprechende Institutionen in europäischen
Ländern zeigten sich nun zu einer erneuten Sondierung des Problemfeldes
bereit und genehmigten wieder Forschungsprojekte. Seitdem wird in den
USA, in Deutschland und der Schweiz wieder intensiver mit Halluzinogenen
geforscht (vgl. z.B. Grob et al. MAPS; Strassman 1991; 1994; Hermle et
al. 1992; 1993; Benz 1989; Dittrich 1985; Vollenweider 1992; 1994). Neue
therapeutische Perspektiven ergeben sich auch durch die Entwicklung von
Substanzen mit einem veränderten bzw. spezifizierten Wirkungsspektrum
(MDMA und Phenethylamine) (vgl. z.B. Shulgin 1992).
Im Jahre 1985 kam es zur Gründung der "Schweizerischen Aerztegesellschaft
für Psycholytische Therapie (SAEPT)", deren Ärzte zwischen
1988 und 1993 eine Genehmigung zur Psychotherapie mit LSD und MDMA erhielten
(vgl. Benz 1989; Styk 1994). Eine Gruppe dieser Ärzte versucht derzeit
beim Schweizer Gesundheitsministerium ein wissenschaftliches Forschungsprojekt
zur Behandlung neurotisch gestörter Patienten mit Psilocybin genehmigen
zu lassen. Im selben Jahr wurde auch das "Europäische Collegium
für Bewusstseinsstuddien (ECBS)" gegrndet, welches alle
europäischen Forscher auf dem Gebiet der veränderten Bewusstseinszustände
vereinigt und auch der medizinischen Verwendung von Halluzinogenen zuarbeitet.
Eine Gruppe um den Psycholyse-Pionier und ECBS-Prsidenten Leuner in Göttingen
(Germany) versucht derzeit beim Bundesgesundheitsministerium ein Forschungsprojekt
zur Behandlung schwer neurotisch gestörter Patienten genehmigen zu
lassen. In den USA kam es im Anschluss an das Verbot der Substanz Methylendioxyamphetamin
(MDMA), die vorher von Psychotherapeuten eingesetzt wurde (Eisner 1989),
zu einem Aufbegehren, das zur Gründung der privaten "Multidisciplinary
Association for Psychedelic Studies (MAPS)" führte. Diese gemeinnützige
Organisation macht sich die sachgerechte Information über das therapeutische
Potential halluzinogener Substanzen und die finanzielle Förderung
derartiger Forschungsprojekte zur Aufgabe.
Anmerkungen
und Literatur >> |
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